Samstag, 8. August 2015

Hitze

Ach herrje, es ist ja fast ein halbes Jahr her, seit ich zum letzten Mal etwas geschrieben habe. Die Zeit zieht momentan in Windeseile an mir vorbei!

Dass es bei uns im Moment überdurchschnittlich heiss ist, wird wohl jeder gemerkt haben. Ich höre zur Zeit verschiedenste Meinungen zum Wetter, von denen, die lieber noch wärmer hätten, und wiederum andere (mich eingeschlossen), denen um die 25°C auch ganz recht wären.

Für uns Fliegende haben die hochsommerlichen Temperaturen auch Konsequenzen. Während unsere Planungsregeln den Sommer hindurch weitgehend im OM C (Operations Manual "C") verstaut bleiben, da sowieso fast jeder Platz bloss Wind "VRB 6kts" (variabel mit ca. 10km/h) und "CAVOK" ("super Wetter!") vermeldet, findet dennoch ab und zu ein Vermerk "PROB 30 TEMPO TSRA" (mit 30%-iger Wahrscheinlichkeit gibt es in der erwähnten Zeitspanne eventuell zwischenzeitlich Gewitter). Der geneigte Leser wird sich fragen, warum wir uns um 30%-Wahrscheinlichkeiten, Eventualitäten und temporäre Gewitter überhaupt einen Hehl machen... Nun, genau so ging es mir Anfangs der Hitzeperiode auch. In meiner ganzen Ausbildung bin ich nie im Hochsommer geflogen, habe eine Gewitterwolke höchstens nach Feierabend gesehen.

Angefangen hat meine "Summer Operation" mit einem gemütlichen Flug nach Barcelona, bei dem sich mir plötzlich zwei riesige weisse Kolosse über Genf in den Weg stellten. 10° nach links, dann wieder 5° nach rechts, und schon war die Gefahr umflogen. Ich staune ob der riesigen Wolken. Auch kurz vor Barcelona steht ein Wolkenturm, und wir verlangen eine Richtungsänderung, die uns (rein zufälligerweise...) genau auf Kurs mit dem kürzesten Anflugweg bringt.

Auf dem Rückweg steht im Wetterbericht für Zürich "TEMPO 250/12G28 +TSRAGR 3000" (temporäre heftige Gewitter und Hagel mit Wind aus 250°, 12 Knoten, Böig bis 25 Knoten, Sicht 3km). Ohalätz, das könnte spannend werden, denken wir uns bereits im Abflug.

Als wir dann in den Schweizer Luftraum (noch vor Genf!) einfligen, sehen wir schon den gewaltigen Gewitterturm über der Zentralschweiz stehen. Er präsentiert sich dunkelschwarz inmitten Weisser Quellwolken (im Bild am rechten Rand).


Mein Kapitän steuert unseren A321 gekonnt durch Passagen der Wolken, die sich auf unserem Radar als befliegbar darstellen. Ich funke und bin hochgradig fasziniert von der Naturgewalt, die sich schon nur in diesen sicheren Zonen ankündigt. Es schüttelt, wackelt und vor allem, ich sehe es praktisch 1x pro Sekunde blitzen. Zum Glück trifft an diesem Tag kein Blitz unser Flugzeug (was unschön wäre, aber nicht lebensgefährlich). Als wir über Zürich aus der Wolke ausfliegen, bietet sich uns ein gewaltiges Bild, der Sonnenuntergang scheint blutrot durch die vielen Wolkenfetzen, es blitzt und donnert. Der Anflug gestaltet sich turbulent und unruhig, doch mein Kapitän meistert ihn gekonnt und setzt sogar noch relativ sanft auf der Piste 34 auf. Puh!

Auf dem Heimweg fahre ich wieder in Richtung der Wolke, allerdings wohl in Zonen, die nicht befliegbar gewesen wären. Es schüttet wie aus kübeln, ich muss auf der Autobahn dreissig fahren. Die Landstrasse danach hat sich zu einem Wildbach verwandelt, ich fahre bis zur Türschwelle im Wasser und bin danach sehr froh zuhause zu sein. Tags darauf lese ich, wie Herr Kachelmann getwittert hat, dass Meteoschweiz über 6000 Blitzeinschläge in nur 30 Min gemessen hat, ein Rekord. Ich staune nicht schlecht. Und da sind wir (wenn auch etwas entfernt) durchgeflogen?

5 Kommentare:

  1. Schöner Bericht mal wieder und tolles Foto, gerne wieder mehr von allem... :-)

    Danke & viele Grüße aus (dem auch heissen) Deutschland!

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  2. Schön, herzlichen Dank für dieses Lebenszeichen in der aviatischen Blogosphäre! Was mich interessieren würde: Haben die hohen Temperaturen auch einen Einfluss auf die Triebwerksleistung des Flugzeugs, z.B. beim Start, oder auf die Aerodynamik im Allgemeinen?

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  3. Auch von mir einen herzlichen Dank für dein Posting und für die persönlichen Empfindungen an denen du uns teilhaben lässt!
    Ich hoffe dass du erkennst wieviele Fan's eure Blogs begeistert erreichen und euch hoffentlich bald wieder dazu bewegen mehr in die Tasten zu hauen.
    Viele Grüße aus Deutschland
    Okin:-)

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  4. Hallo zusammen, herzlichen Dank für eure Kommentare! Ich wusste gar nicht, dass überhaupt noch jemand nachschaut, ob ich noch was schreibe. Leider ist es wirklich sehr still geworden in der Flugbloggerei... Vor zwei, drei Jahren war das noch anders, die Posts von NFF und co. waren für mich immer Motivations-Nahrung für die Fliegerschule ;)

    Spaceman, zu deiner Frage:
    Ja, die Lufttemperatur hat sehr grossen Einfluss auf die sogenannte Performance, vereinfacht gesagt auf die Flug- und Steigleistung eines Flugzeugs. Ist die Luft heiss, wird sie "dünner" und ein Flugzeug muss schneller fliegen (oder leichter sein), um gleiche Steigleistungen wie bei kalter Temperaturen zu erreichen. Weiter verlieren auch unsere Triebwerke ab ca. 30°C an Leistung, bzw. können nicht mehr das Maximum an Schub erbringen, was an kalten Tagen möglich wäre.

    Die Kombination aus weniger Schub aber mehr benötigter Geschwindigkeit bedingt für uns, dass wir im Sommer oftt längere Pisten für Start und Landung benötigen, oder aber weniger Gewicht transportieren können (ist seltener der Fall, meist ist eine genug lange Piste vorhanden).

    Um solche Gedanken und Berechnungen ausführen zu können, haben wir Computerprogramme, die wir mit unseren Flugdaten "füttern" können. Diese errechnen uns dann Werte, mit denen ein Start möglich ist (oder sagen uns eben aber auch, dass ein solcher mit gegebenen Parametern nicht möglich ist - dann müssen wir handeln, Gewicht ausladen oder eine andere, längere oder Wind-günstigere Piste verlangen). Ich hoffe, das ist so einigermassen verständlich, da könnte man Bücher füllen! ;)

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  5. Welcome back! Schön, dass du wieder schreibst! Tolle Bilder, einmal im Leben möchte ich den Himmel auch aus der Perspektive im Flight Deck erleben.
    Claudia

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