Freitag, 12. Dezember 2014

Hotel Bravo


Viel zu lange habe ich nichts mehr geschrieben, dabei ist doch seit meinem letzten Post so viel passiert. Diverse Simulator-Triebwerke sind zu Trainingszwecken über den Jordan gegangen, die Rauchmaschine im Simulator lief auch Hochtouren, und ein Manager bei Persil reibt sich wohl ob meinem erhöhten Waschmittelverbrauch die Hände. Die Simulatorsessions waren gegen Schluss echt schweisstreibend und anstrengend! Keine Minute verging ohne Aus- oder Notfall. Waren so anfänglich die Szenarien noch human, so wurden sie gegen Schluss immer anspruchsvoller. Rauch im Cockpit gleich nach dem Start, totaler Ausfall der Generatoren, Ausfall beider Triebwerke auf Reiseflughöhe, Verlust des Kabinendrucks, ja sogar Verlust eines Triebwerks (im Sinne von physisch vom Flugzeug abgefallen), kombiniert mit einem Feuer auf dem noch letzten vorhanden Triebwerk, all das (und weiteres) haben wir trainiert. Schlussendlich habe ich anfangs November dann meinen allerersten Simulator-Check bestanden. Freude herrscht!

Eine Woche später stehe ich in Montpellier im schönen Frankreich auf der Piste, im echten A320, zusammen mit zwei Instruktoren und einem Klassenkollegen. Wind calm, CAVOK (Ceiling & Visibility OK – im Volksmund „kein Wölkchen am Himmel“) stand im Wetterbericht, herrlichstes Wetter für unser Landetraining also, und das Mitte November! Ich schaue gespannt nach draussen, während wir auf die Piste rollen. Dreiundsechzig Tonnen wiegt unser Flugzeug heute, und ich darf es gleich zum ersten Mal fliegen. Das ist etwa 35 Mal schwerer, als die DA42, die ich noch im Sommer geflogen bin, geht es mir durch den Kopf. 

„Bisch parat?“ – holt mich die Stimme meines Instruktors aus meiner Kopfrechnung. Bin ich das? Keine Ahnung, ich verspüre eine Mischung aus reinster Vorfreude, gepaart mit riesigem Respekt. Es ist alles so gross und jetzt plötzlich real. Ach egal! „Jep!“ antworte ich, und schon quittiert mein Instruktor dies mit „Takeoff!“. Ich werde in den Sitz gedrückt und grinse. 

„V1 – rotate!“ 

Ich ziehe am Sidestick und hebe zum ersten Mal im Airbus real ab. Ein geniales Gefühl, das Flugzeug fühlt sich trotz seines Gewichts und seiner Grösse extrem wendig und flexibel an. Zwei Turns später befinde ich mich im Anflug über das türkisfarbene Meer, vorbei an Luxushotels, die im Sommer bestimmt bis zum Rand mit gut zahlender Kundschaft gefüllt sind. Jetzt scheinen sie leer und verlassen. Ich konzentriere mich und setze den Airbus etwas zu lang aber sanft auf die Piste. Cool, das klappt wie im Simulator (wo er mir eine Woche zuvor die korrekte Landetechnik in einer sehr unterhaltsamen Simulatorlektion beigebracht hat). Sieben weitere Runden drehe ich, danach ist mein Kollege dran. 

Am nächsten Tag steigen wir erneut in das Flugzeug, diesmal ist der Himmel wolkenverhangen und es windet mit bis zu 60km/h. Regen prasselt gegen die Scheibe, als ich zum ersten Mal anfliege. Es schüttelt, und ich kann die Piste nur schlecht erkennen. Alles ist heute etwas komplizierter, und so komme ich in den Genuss von meinen ersten Go Arounds, meine Landungen sind plötzlich zu lang. Mist, dabei ist doch heute mein Geburtstag! Wieder und wieder will es mir nicht gelingen, den Flieger präzise aufzusetzen. Mein Instruktor bleibt ruhig, gibt Tipps, und siehe da, diverse Runden später klappt wieder alles. Ich bin happy! 

Übrigens, warum der Titel „Hotel Bravo“? Alle in der Schweiz registrierten Flugzeuge haben diese zwei Buchstaben (eben H und B) als Anfang (jedes Land hat seine eigenen, Deutschland: D-…, Grossbrittanien: G-…), z.B. HB-IJP. Doch was hat „HB“ mit der Schweiz zu tun? Einige behaupten, das stehe für „helvetischer Bund“, ich weiss es nicht. Ich selber habe meine eigene Erklärung: HB – Happy Birthday, das war echt das beste Geburtstagsgeschenk aller Zeiten!