Mittwoch, 24. September 2014

Zu nachtschlafender Zyt

Es ist kurz nach halb Acht, abends, an einem noch nicht lange vergangenen Montag. Ich habe gerade mein Abendessen zu mir genommen und liege nun ziemlich wach mit geschlossenen Fenstern im Bett. Mein Puls ist hoch, an Schlaf ist nicht zu denken, irgendwie ist auch alles viel zu warm und draussen hupt der Abendverkehr. Ach, der Fourgreens ist wohl krank!

Weit gefehlt, ich bin nervös! SIM-4, Briefing 00:30 steht in meinem Kalender. Zum ersten Mal. Mein erster Flug im Full Flight Simulator steht an. Und nur noch vier Stunden Schlaf bis dahin! Aber an Schlaf ist nicht zu denken. Also stehe ich auf und überfliege noch einmal die beinahe zehn Seiten lange Checkliste der "cockpit preparation". Ist alles noch sehr neu, und doch trotz einiger Lektionen im IPT (einem sehr fiktiven Cockpit, welches mit diversen Touchscreens ein Cockpit darstellt und uns so als Übungsgerät dient) bereits vertraut.

Als wir dann um Mitternacht zum Briefing fahren, ist der Abendverkehr verstummt, kein Mensch ist mehr auf der Strasse. Im Briefingraum empfängt uns ein hochmotivierter, junger Instruktor, der sich, wie wir, irgendwie genau so sehr zu freuen scheint, von zwei bis sechs Uhr morgens in einem dunklen Kasten zu sitzen. Das mag für aussenstehende unverständlich sein, aber glaubt mir, liebe Leser, für uns ist es momentan noch das Allergrösste.

Es folgen anderthalb Stunden Briefing über diverse Grundlegende Themen, wie etwa die Darstellung der Flugparameter auf den Flugdisplays. Es gibt viel zu sehen, diskutieren, verstehen und begreifen.

Um zwei Uhr ist es so weit, ich setze mich auf den rechten Cockpitsitz und bin sogleich von der "Aussicht" überrascht. Es ist schon ein anderes Gefühl, ob man in der DA42 auf knapp 1m über dem Boden sitzt oder im A320 auf etwa 4.5 Metern. Alles wirkt grösser. Die erste Viertelstunde vergeht mit dem korrekten Einstellen des Sitzes und der Erklärung, wie die Schubhebel zu bedienen sind.
Ich bin begeistert, seit Mai 2012, dem Anfang meiner Ausbildung, als wir einmal im Rahmen eines Fototermins im Simulator platz nehmen durften, freue ich mich auf diesen Moment.

Wenig später stehen wir in Zürich auf der simulierten Piste 28, nachts, "draussen" ist es dunkel, nur die Piste scheint hell, aber auch im Cockpit sind die Lichter an.

"Bist du ready?" fragt mich unser Instruktor.
"Ready!" antworte ich, und setze mich noch etwas gerader auf meinen Sitz.
Der Instruktor knipst das Licht im Cockpit aus und gibt der (ebenfalls simulierten) Kabine das Zeichen, dass wir starten, ein Bing-Bing ertönt. Das ganze Cockpit leuchtet in gelb, grün, blau vor sich hin. Ich bin begeistert!

"Take off!"
Es beginnt zu dröhnen. Ich werde in den Sitz gedrückt und grinse breit.
Holla, der beschleunigt aber ganz schön! denke ich mir, und realisiere, dass wir ja eigentlich stationär sind und nur durch Illusionen der Schwerkraft getäuscht werden. Im Moment hat sich der Simulator also bloss etwa 30° nach hinten gekippt, und schon fühle ich mich, in Zusammenhang mit den aussen projezierten Bildern, als würden wir mit 130 Knoten Richtung Pistenende rasen. Toll!

"V1, rotate!"
Ich ziehe zum ersten Mal am Sidestick. Der Airbus rotiert gemütlich auf 10° und bleibt dort stehen. Störrisches Ding, 15° will ich doch! Also ziehe ich mehr, erreiche 15° und werde vom Instruktor darauf aufmerksam gemacht, dass der Airbus irgendwie nicht gerne progressiv auf 15° rotiert und ich daher bei etwa 10° mehr am Stick ziehen soll. Aha, so ist das.

Wir fliegen diverse Übungen und bringen den Flieger an seine Limiten. Etwas, was man anfangs einmal macht, um zu merken, wie weit man den Flieger eigentlich pushen könnte, ohne abzustürzen. Später unterlässt man dies logischerweise, da dies der Flugsicherheit wohl nicht direkt förderlich wäre. Nach etwa anderthalb Stunden lande ich wieder. Ich staune, dass sich das Landen im Simulator etwa gleich anfühlt, wie in den mir gewohnten Kleinflugzeugen.

Um sechs Uhr morgens begeben wir uns gemeinsam ins Debriefing. Ich bin hundemüde, seit 22h wach und gefüllt mit tollen Eindrücken. Das Debriefing dauert bis etwa sieben Uhr, dann fahre ich nach Hause und schaffe es dieses Mal deutlich besser, den Schlaf zu finden (in etwa 7 - 10 Sekunden...).

Mittlerweile befinde ich mich bereits im abormal-Teil der Instruktion und werde nächste Woche bereits meine ersten Sessions mit Engine Failure und so weiter haben. Das wird wohl ein Spass :)

Ach so, der Titel dieses Posts ist ja in Berndeutsch! Für die Leser aus dem grossen Kanton (ich denke zwar, Ihr versteht es so oder so): Zu nachtschlafender Zyt heisst so viel wie "zu sehr später Stunde, wo eigentlich alle schlafen". Der Titel gehört zu einem Video über meine Heimatstadt, welches ich kürzlich gefunden habe. Gefällt mir sehr! Den Link findet ihr gleich unten.

Zu nachtschlafender Zyt

4 Kommentare:

  1. Moin,

    immer wieder toll, Deine Bericht hier zu lesen und den Weg Deiner Ausbildung zu folgen. Freue mich schon auf weitere Berichte!

    LG Thomas

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  2. Hi Thomas,
    danke, ich freue mich immer, wenn ich sehe, dass auch Leute aktiv mitlesen :)

    Lg

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  3. Schön von Dir zu lesen.
    Gruß aus dem großen Kanton im Norden :-)

    Christian

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  4. Hi FourGreens
    Ich verfolge Deinen Blog schon von Anfang an. Es ist sehr spannend und eindrücklich.
    Freue mich auf weitere Berichte von Dir :)

    Pascal

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